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Kein Cannabis von der Krankenkasse
Datum: 27.02.2015
Kurzbeschreibung: Vor dem Landessozialgericht in Stuttgart unterlag heute ein 50-jähriger Mann aus dem Landkreis Tübingen, der seine Krankenkasse auf Übernahme der Kosten für den Erwerb von sog. Medizinal-Cannabisblüten verklagt hatte.
Kein Cannabis von der Krankenkasse |
Vor dem Landessozialgericht in Stuttgart unterlag heute ein 50-jähriger Mann aus dem Landkreis Tübingen, der seine Krankenkasse auf Übernahme der Kosten für den Erwerb von sog. Medizinal-Cannabisblüten verklagt hatte. Bei den konsumierten Cannabisprodukten handele es sich nicht um eine von der gesetzlichen Krankenversicherung zu übernehmende Leistung, entschied der 4. Senat des Landessozialgerichts und bestätigte damit die erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgerichts Reutlingen.
Als Folge einer 1993 erlittenen Hirnblutung leidet der Kläger an einer spastischen Lähmung aller vier Extremitäten und an einem schweren Anfallsleiden, einer sog. Grand-Mal-Epilepsie. Er kann nur wenige Schritte gehen, muss Spezialschuhe tragen und ist ansonsten auf den Rollstuhl angewiesen. Darüber hinaus leidet er an einer Stoffwechselerkrankung, die mit zum Teil heftigsten kolikartigen Bauchschmerzen einhergeht. Zur Vorbeugung gegen epileptische Anfälle, aber auch zur Schmerzbehandlung, konsumiert der 50-Jährige Medizinal-Cannabisblüten, die er über eine Apotheke bezieht. Für den normalerweise verbotenen Erwerb dieser Blüten besitzt er eine behördliche Ausnahmegenehmigung.
Die Behandlung mit Medizinal-Cannabisblüten stelle in seinem Fall die einzige medizinisch und ethisch vertretbare Behandlungsmöglichkeit dar, begründete der Kläger seinen Antrag auf Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Wegen seiner Stoffwechselkrankheit könne er die üblichen Epilepsiemedikamente nicht einnehmen. Da sich sowohl die Schmerzen als auch die Spastik mit der Cannabismedikation erfolgreich behandeln ließen, stehe ihm gegen seine Krankenkasse ein Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten zu.
Diese Auffassung teilten die Stuttgarter Richter nicht und gaben der beklagten Krankenkasse Recht. Ein ausschließlich Medizinal-Cannabisblüten enthaltendes Fertigarzneimittel mit der erforderlichen Zulassung nach deutschem Arzneimittelrecht gebe es nicht. Aber auch als zulassungsfreies Rezepturarzneimittel - hierbei handelt es sich regelmäßig um in der Apotheke für einen bestimmten Patienten individuell hergestellte Arzneimittel - könnten die Medizinal-Cannabisblüten nicht als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden. Denn insoweit fehle es an der nach dem Gesetz erforderlichen Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses. Eine befürwortende Empfehlung dieses Ausschusses, eines von den Spitzenorganisationen der gesetzlichen Krankenversicherung gebildeten Gremiums, sei bei neuen Behandlungsmethoden Voraussetzung für eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse. Für Medizinal-Cannabisblüten liege eine solche nicht vor.
Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen.
Urteil des 4. Senats des LSG Baden-Württemberg vom 27.02.2015
Az.: L 4 KR 3786/13
Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) Gesetzliche Krankenversicherung
§ 27 SGB V - Krankenbehandlung
(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt ... 3. Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, ...
Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) Gesetzliche Krankenversicherung
§ 135 SGB V - Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über
1. die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung, ... |
Dr. Karsten Toparkus
Richter am Landessozialgericht
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